BAUMANN RECHTSANWÄLTE

PRESSEERKLÄRUNG
Dienstag, 24.06.2008 – Pressekonferenz 12.30 Uhr

Klage gegen Stahlwerk von Feralpi (ESF) in Riesa
Anwohner wehren sich gegen gesundheitsgefährdende Schadstoffbelastungen durch die genehmigte Werkserweiterung

Die Kanzlei BAUMANN Rechtsanwälte (Würzburg) geht im Namen von vier Privatpersonen gegen die immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die Erweiterung des Stahlwerks der Firma Elbe Stahlwerke Feralpi (ESF) in Riesa mit einer Klage vor dem Verwaltungsgericht Dresden vor. Ziel der Klage ist die Aufhebung der Genehmigung und die Stillegung von wesentlichen Teilen der Stahlproduktion der ESF vor allem aber die drastische Reduzierung der extremen Schadstoffbelastung mit krebserregenden Stoffen. In einer 150 Seiten umfassenden Klagebegründungsschrift hat die Kanzlei Versäumnisse der ESF in der Vergangenheit angeprangert und gegen die zukünftig durch eine Erweiterungsgenehmigung zu erwartenden Gesundheitsgefahren Front gemacht. Wie eine technische Begutachtung durch den unabhängigen Sachverständigen Peter Gebhardt vom Ingenieurbüro für Umwelttechnik ergeben hat, wurden schon bisher Vorschriften zum Schutz der Anwohner missachtet. Aufgrund der angegriffenen immissionsschutz-rechtlichen Genehmigung wäre mit zusätzlichen Schadstoffbelastungen und noch größeren Gefahren durch das Stahlwerk zu rechnen.
Rechtsanwalt Wolfgang Baumann kritisiert die Genehmigungsbehörde, das Regierungspräsidium in Dresden: Die Behörde hat geflissentlich darüber hinweg gesehen, dass diffuse Staubemissionen aus dem Stahlwerk von Feralpi mehr als 10 Mal größer sind, als das Unternehmen selbst angegeben hat. Täglich werden tonnenweise giftige Stäube im Umkreis von ein bis zwei Kilometer auf die dortigen Anwohner niedergehen, wenn die Genehmigung nicht aufgehoben wird und das Verwaltungsgericht Dresden keinen Betriebsstopp verhängt!"
Das Regierungspräsidium Dresden hatte der italienischen Firma ESF am 01.08.2006 eine Genehmigung erteilt, die Kapazität des Stahlwerkes, das sich inmitten der Stadt Riesa befindet, von 675.000 t Stahl auf eine Gesamtkapazität von 1 Mio. t Stahl pro Jahr zu erhöhen und damit fast zu verdoppeln. In der Umgebung des Stahlwerkes befinden sich vor allem Wohngebiete, deren Bewohner sich seit der Aufnahme des Betriebes vor 13 Jahren vergeblich gegen Staub-, Lärm- und Geruchsbelästigungen zur Wehr setzen. Weder Beschwerden beim zuständigen Regierungspräsidium noch Hilfsersuchen gerichtet an den Ministerpräsidenten hatten bisher Erfolg. Die Anwohner des Stahlwerkes wollen nun mit der Klage die offenkundig unhaltbare Genehmigung kippen.

Die Kanzlei BAUMANN Rechtsanwälte hat die Klage u. a. wie folgt begründet:
Der von dem Stahlwerk beauftragte Gutachter, auf den sich das Regierungspräsidium maßgeblich stützt, hat die für den Betrieb von Stahlwerken maßgeblichen Regelwerke der „Technischen Anleitung Luft" (TA Luft) und der „Technischen Anleitung Lärm" (TA Lärm) entweder nicht gekannt oder schlicht und einfach ignoriert.
Der Gutachter des Stahlwerks hat bei seinen Schadstoffprognosen wichtige Emissionsquellen im Bereich des Fallwerkes, des Schredders sowie einen erheblicher Teil der auf dem Gelände stattfindenden Transportvorgänge nicht berücksichtigt. Dies bedeutet, dass die von diesen Betriebsteilen ausgehenden Luftschadstoffe schlicht und einfach nicht in die Berechnung eingestellt wurden.
Skandalöse Fehler finden sich aber vor allem auch bei der Berechnung derjenigen Schadstoffquellen, die der Gutachter überhaupt als solche wahrgenommen hat. Bekanntermaßen geben Stahlwerke Schadstoffe vor allem über Schornsteine ab, in denen zum Schutz der Menschen in der Umgebung Filter eingebaut sind. Die sog. gefassten Emissionen wurden vom Firmengutachter herunter gerechnet.
In Riesa quillt der Dreck seit Jahren ungefiltert auch über Dachluken ins Freie - weithin sichtbar und immer wieder erfolglos von den Anwohnern bei den zuständigen Behörden angeprangert. Der Feralpi-Gutachter des Stahlwerks hat nun für das Genehmigungsverfahren berechnet, dass aus diesen Dachluken stündlich nur eine krebserregende Staubfracht von 6,15 kg austritt. Richtig gerechnet muss aber von einem stündlichen Staubaustritt von bis zu 53,5 kg ausgegangen werden. Dies bedeutet, dass - wie das unabhängige Ingenieurbüro für Umwelttechnik errechnet hat - die ESF täglich bis zu 1,28 Tonnen giftige Stäube ungefiltert allein über die Dachluken emittiert, die dann in einem Umkreis von 1 bis 2 km auf die dortigen Anwohner niedergehen.
Doch selbst die von dem Stahlwerksgutachter offensichtlich schön gerechneten Schadstoffwerte überschreiten die nach der TA Luft zulässigen Werte, insbesondere für gefährlichen Feinstaub - für den die EU jetzt strenge Grenzwerte festgelegt hat - und für Arsen, Blei, Cadmium und Nickel, bei denen es sich um gesundheitsschädliche Schwermetalle handelt.
Die im Vergleich zum Landkreis Torgau-Oschatz und auch zum Freistaat Sachsen bei einigen Krebsarten signifikant erhöhten Krebsraten sind mit großer Wahrscheinlichkeit auf die Umweltverschmutzung durch das Stahlwerk zurückzuführen. Es ist nämlich hinlänglich bekannt, dass Dioxine und Furane, deren Grenzwerte von ESF jahrelang nicht eingehalten wurden, hochgradig Krebs erregend sind. Trotzdem hat das Regierungspräsidium die Erlaubnis erteilt, ohne die nach der TA Luft vorgeschriebene Sonderfallprüfung für diese hoch gefährlichen Stoffe vorzunehmen. Auch die in Anbetracht der Tatsache, dass der Betrieb inmitten von Wohngebieten liegt, eigentlich selbstverständliche Gesundheitsverträglichkeitsprüfung

oder auch nur eine Beteiligung des Gesundheitsamtes im Verfahren hat nicht stattgefunden.
Massive Fehler finden sich weiterhin bei der Beurteilung der Lärmbelastung. Hier wurden besonders laute Lärmquellen von vornherein nicht betrachtet, die Messorte entgegen den Vorgaben der TA Lärm festgelegt und insgesamt die Gesamtbelastung offensichtlich herunter gerechnet. Den Anwohnern werden Lärmwerte zugemutet, die bereits gesundheitsschädlich und deshalb nach der allseits bekannten TA Lärm auch nicht zulässig sind.
Anwalt Baumann: „Das Regierungspräsidium Dresden hat offensichtlich um jeden Preis zugunsten der Feralpi, des wichtigsten Steuerzahlers in Riesa, die Genehmigung erteilen wollen und sich hierbei auf geradezu abenteuerliche rechtliche und tatsächliche Annahmen gestützt. So weit der Nachweis gelingen sollte, dass hier seitens der zuständigen Behörden vorsätzlich in Kauf genommen wurde, dass eine Genehmigung durch die bewusste Vorlage falscher Tatsachen erschlichen wurde, werden weitere Schritte, vor allem strafrechtlicher Natur, eingeleitet werden. Schließlich ist bekannt, dass Umweltstraftaten auch dann vorliegen, wenn eine Genehmigung durch Kollision erwirkt oder durch unrichtige oder unvollständige Angaben erschlichen wurde. Die Fehler und Versäumnisse in Riesa haben ein Ausmaß, das bundesweit seinesgleichen noch sucht. Dies ist leider kein Aprilscherz."
gez. RA W. Baumann/Fachanwalt f. Verwaltungsrecht
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