Sächsische Zeitung 16. Februar 2023

Riesa: Grundstücksverkäufe ans Stahlwerk ziehen Kritik nach sich

Die Stadt hat etliche Flächen an Feralpi veräußert. Anlieger haben ein Problem mit dem vereinbarten Preis.

Von Eric Weser

Auf dem Eckgrundstück Greifzustraße (links) und Haldenstraße stand bis 2009 ein großes Haus. Die Stadt ließ es abtragen – und hat die Brache nun an Feralpi veräußert

Diese Einnahme kann der städtische Haushalt gut gebrauchen: Mehr als 200.000 Euro bringen Grundstücksverkäufe der Stadt an die Elbe-Stahlwerke Feralpi in die kommunale Kasse. Im Gegenzug gehen Flächen an vier Stellen in Gröba an das Stahlunternehmen.
Doch mit dem Handel, den die Stadträte jüngst im Finanz- und auch im Bauausschuss absegneten, ist nicht jeder einverstanden. In Gröba wird der Vorgang vom dort ansässigen Bürgerverein Riesa 2018 kritisch gesehen.

Die Vereinsvorsitzenden Jan Niederleig und Toralf Schadewitz monieren den Kaufpreis, den Feralpi für einige der insgesamt 20 Grundstücke zahlen muss. Der ist ihrer Ansicht nach zu niedrig. Der Stadt würden dadurch Einnahmen verloren gehen.

Das augenfälligste Beispiel ist für die beiden ein Grundstück an der Ecke Paul-Greifzu-/Haldenstraße. Auf der Brache stand bis 2009 ein Mehrfamilienhaus, das die Stadt abreißen ließ – was damals ein Politikum war.

Wirrwarr um Werte


Das zugehörige Grundstück hat laut offiziellen Angaben im Geoportal des Landkreises Meißen einen Bodenrichtwert von 75 Euro je Quadratmeter. Als Verkaufspreis an Feralpi segneten Riesas Stadträte allerdings eine weit niedrigere Summe ab – eine um 40 Prozent geringere Summe. 30 Euro je Quadratmeter muss das Stahlwerk zahlen. Macht für die reichlich 1.100 Quadratmeter annähernd 35.000 Euro.

Doch es könnten eigentlich gut 87.000 Euro sein, finden Vereinsvorstände. Und verweisen auf eine Regelung aus der Gemeindeordnung, in der es heißt, dass Vermögenswerte wie Grundstücke von Kommunen "in der Regel nur zu ihrem vollen Wert veräußert werden" dürfen.

"Rechtlich sauber"


Die Stadt Riesa bekräftigt auf Nachfrage auch, keine Grundstücke unter Wert verkauft zu haben. Das dürfe man nicht – und das sei auch in diesem Fall nicht passiert. "Die Grundstücke wurden entsprechend den Vorgaben des Gutachterausschusses für Grundstückswerte des Landkreises Meißen bewertet", teilt das Rathaus mit. Diese Festlegungen seien auch den Stadträten mitgeteilt und der Beschluss in den Ausschüssen rechtlich sauber gefasst worden.

Tatsächlich ist nach Angaben der Landesdirektion Sachsen bei derlei kommunalen Grundstücksverkäufen nicht der Bodenrichtwert, sondern der Verkehrswert als voller Wert anzusehen – vereinfacht gesagt, der Wert, den eine bestimmte Immobilie zu einem bestimmten Zeitpunkt hat.

Den Verkehrswert hat die Stadt nach eigenen Angaben vom Landkreis Meißen ermitteln lassen. Dort ist der Gutachterausschuss ansässig, der die Bodenrichtwerte für das gesamte Landkreis-Gebiet ermittelt – aber auch in Verkehrswertfragen angerufen werden kann.

Das hatte die Stadt getan – und vom Gutachterausschuss für das Eckgrundstück sogar einen Verkehrswert von lediglich 20 Euro je Quadratmeter vorgeschlagen bekommen. Begründung der Gutachter ist eine zwischenzeitlich geänderte Festlegung für das Areal: War es einst Mischgebiet, in dem Wohnbauten ebenso zulässig wären wie Gewerbeobjekte, ist die Fläche inzwischen als reines Gewerbegebiet ausgewiesen. "Einem Bauantrag für Wohnbebauung wird daher vermutlich nicht stattgegeben", schätzt der Gutachterausschuss in einem Schreiben ans Riesaer Rathaus ein, das der SZ vorliegt – und stellt deshalb auf den deutlich geringeren Wert von 20 Euro je Quadratmeter ab.

Ähnliches passierte bei mehreren anderen Grundstücken, die die Stadt nun an Feralpi verkaufte: Auch dort empfahl der Gutachterausschuss teils deutlich geringere Werte als die Bodenrichtwerte.

Die Stadt wiederum verlangte vom Stahlwerk jedoch mitunter etwas höhere Preise pro Quadratmeter, als von den Gutachtern empfohlen.

Für die Vertreter des Bürgervereins sind die Festlegungen des Gutachterausschusses schwer nachvollziehbar bis widersprüchlich. Vorstand Jan Niederleig bezeichnet es als krass, wie groß die Differenzen zwischen Bodenrichtwert und Verkehrswert seien. Schwer nachvollziehbar sei außerdem, wofür Feralpi das vom Werksgelände gelegene Grundstück brauche.

Das Unternehmen und auch die Stadt verweisen auf die "Abrundung" des Betriebsgeländes. Etwas Beruhigendes hat für manchen Gröbaer auch die Ankündigung von Feralpi, den Grundstückskauf an der Ecke Greifzu-/Haldenstraße für Lärmschutz- oder Begrünungsmaßnahmen nutzen zu wollen. "Der eigentliche Industriebetrieb rückt also nicht näher an die Wohnhäuser heran", hatte das Unternehmen erklärt.