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Dreck aus dem Riesaer Schmelzhaus-Dach
Lausitzer
Rundschau Samstag,
28. Juni 2008
Ein
wenig wirkt es wie Ironie, dass
Jörg Niederleig in seiner Firma
ausgerechnet mit Reinigungsmitteln
handelt. Denn der Riesaer Unternehmer
hat ein Schmutzproblem. Quelle des
Drecks ist sein Nachbar, das Elbe-Stahlwerk
Feralpi (ESF) in Riesa. |
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Qualm
dringt aus dem ESF Elbe-Stahlwerk
Feralpi in Riesa. Mehrere Bürger
haben eine Klage eingereicht und
wollen Teile der Stahlproduktion
stilllegen lassen.
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Die Hütte, in
der aus Schrott Baustahl erzeugt wird,
ist ein Traditionsbetrieb mit 160-jähriger
Geschichte, der seit 1992 zur italienischen
Feralpi-Gruppe gehört. Für die
sächsische Stadt an der Elbe ist
ESF mit seinen 580 Beschäftigten
einer der größten Arbeitgeber
und gewichtiger Steuerzahler. Für
Nachbarn wie Niederleig ist es eine Schmutzschleuder.
Ein Hauptärgernis für die Bürgerinitiative
„Lebenswertere Umwelt“, der
Niederleig angehört, seien Dachluken
von insgesamt 1100 Quadratmetern Fläche,
aus denen Schadstoffe ungefiltert ins
Freie gelangten, sagt Rechtsanwalt Wolfgang
Baumann, der den Unternehmer und drei
andere Anwohner bei einer Klage vor dem
Verwaltungsgericht Dresden vertritt. Ihr
Ziel ist die Aufhebung einer Genehmigung,
mit der 2006 die Kapazität des Werks
von 675 000 auf eine Million Tonnen Stahl
erhöht wurde. Die Folge, räumt
Baumann ein, wäre «notwendigerweise
die Stilllegung wesentlicher Teile der
Produktion» .
Mit dem womöglich folgenreichen juristischen
Vorstoß eskaliert ein seit Jahren
geführter Streit um die Umweltbelastung
durch die Stahlhütte. Diese überschritt
die Grenzwerte für giftige Schwermetalle
sowie Dioxine in der Vergangenheit teils
erheblich, sagt Baumann. So sei vor 1999
eine Dioxin-Konzentration von zeitweise
34,3 Nanogramm je Kubikmeter gemessen
worden – das 343-fache des Erlaubten.
Eine erhebliche Giftfracht stellten auch
Staubwolken dar. Die Hütte stößt
nach Berechnungen der Kritiker pro Tag
1,28 Tonnen Staub aus, die sich in einem
Umkreis von einem bis zwei Kilometern
verteilen. Krebserkrankungen
befürchtet
Die Folgen einer solchen Verschmutzung
sind womöglich fatal. Udo Weiland,
Lan desvorsitzender des Bundes für
Umwelt und Naturschutz (BUND), verweist
auf offizielle Statistiken, wonach in
Riesa seit Jahren erheblich mehr Krebserkrankungen
auftreten als in anderen Städten:
«Hier sind es 260 Fälle je
10 000 Einwohner, in Dresden und Leipzig
nur 160.» Der BUND hat zudem die
Giftkonzentration in Riesaer Gärten
gemessen. Mancherorts, sagt Weiland,
müsse vom Verzehr der dort erzeugten
Eier und des Gemüses dringend abgeraten
werden.
Dass es früher Probleme mit Feralpi
gab, wird auch im Regierungspräsidium
Dresden, der zuständigen Genehmigungsbehörde,
eingeräumt. Man habe das Unternehmen
«nötigen» müssen,
sich sukzessive an die Grenzwerte anzunähern,
sagt Sprecher Holm Felber. So wurden
in der Vergangenheit neben vier nachträglichen
Anordnungen auch zwei Stilllegungsandrohungen
ausgesprochen. Felber betont aber auch,
eine gesundheitliche Gefährdung
habe «zu keiner Zeit» bestanden,
weil die Schadstoffe verdünnt und
weiträumig verteilt würden.
Seit dem Einbau einer neuen Filteranlage
2006 sei das Problem behoben: Bei 18
Messreihen seien zuletzt alle Dioxin-Werte
eingehalten worden; gleiches gelte für
Feinstaub.
Diese Einschätzung teilt Frank
Jürgen Schäfer, der Werkleiter
des Riesaer Großbetriebs. Seit
Einbau einer zweiten Entstaubungsanlage
im Jahr 2006 würden die Grenzwerte
sogar so weit unterschritten, dass die
in Deutschland erstmalig eingesetzte
Technologie vom Umweltbundesamt zum
Maßstab erhoben werden solle.
Die kräftige Anlage sauge zudem
Luft aus benachbarten Gebäudeteilen
in das Schmelzhaus: Daher, sagt der
Werkleiter, „treten keine Verbrennungsgase,
die beim Einschmelzen von Schrott entstehen,
aus Dachluken aus.“ Das Regierungspräsidium
sieht denn auch keinen Grund zur Beschwerde.
Kläger
sollen weichen
Das sieht Anwalt Baumann anders. Das
Präsidium «redet die Gefahr
herunter» , sagt er und wirft
der Behörde vor, bei der Erteilung
der Genehmigung befangen gewesen zu
sein. Jetzt werde gar nach Wegen gesucht,
die Kläger stillzustellen. Sie
sollen samt ihren zumeist sanierten
Häusern und der 2003 grundhaft
erneuerten Straße einer ESF-Werkserweiterung
weichen, sagt Niederleig, und ist empört.
Von Hendrik Lasch
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