Chemnitzer
Morgenpost Mittwoch,
25. Juni 2008
Riesaer ziehen den Freistaat
vor den Kadi
Von Juliane Morgenroth
Riesenstreit um die Elbe-Stahlwerke
in Riesa: Vier Anwohner haben vor dem
Dresdner Verwaltungsgericht Klage gegen
den Freistaat eingereicht. Sie wehren
sich gegen gefährliche Schadstoffbelastungen
durch die vom Dresdner Regierungspräsidium
(RP) genehmigte Werkserweiterung.
RIESA/DRESDEN
- Im August 2006 genehmigte das RP den
Stahlwerken (540 Mitarbeiter), die Kapazität
auf eine Million Tonnen Stahl pro Jahr
fast zu verdoppeln. Der Entscheidung
lagen Prognosen zur erwarteten Luftverschmutzung
und Lärm zu Grunde. „Das
RP hat sich dabei maßgeblich auf
den vom Stahlwerk beauftragten Gutachter
gestützt. Dieser hat jedoch wichtige
Schmutz- und Lärmquellen nicht
berücksichtigt“, so der Würzburger
Verwaltungsrechtler Wolfgang Baumann.
Die Kläger wollen
nun die Aufhebung der Genehmigung sowie
die Stilllegung wesentlicher Teile der
Produktion. Schadensersatzklagen sind
möglich. Laut eines von den Klägern
beauftragten Gutachters entweichen aus
den Dachöffnungen pro Jahr 400
Tonnen giftiger Staub. Rechtsanwalt
Baumann wirft dem Gutachter „skandalöse
Fehler“ vor, denn zudem seien
Emissionen heruntergerechnet worden.
Einer der Kläger
ist Jan Niederleig, Mitbegründer
der Bürgerinitiative „Für
eine lebenswertere Umwelt“: „Die
Stahlwerke behaupten, die Werte einzuhalten.
Je nach Wind schnellt jedoch das Meßgerät
nach oben.“ Landeschef Hans-Udo
Weiland vom Bund für Umwelt und
Naturschutz verweist zudem auf die erhöhte
Krebsrate: „In Riesa haben wir
260 Krebsfälle pro 10000 Einwohner,
in Dresden und Leipzig 160.“ Baumann:
„Das RP hat offenbar um jeden
Preis zugunsten des wichtigsten Steuerzahlers
die Genehmigung erteilen wollen. Die
Versäumnisse haben ein Ausmaß,
dass bundesweit seinesgleichen sucht.“
Das RP versteht
die Aufregung nicht. Seit 2006 hätten
diverse Kontrollmessungen nichts Auffälliges
ergeben. Demnach gäbe es keinen
Grund, die Genehmigung anzuzweifeln.
„Das Gericht muss klären,
was Legende und was Wahrheit ist. Wir
haben keinen Grund, dem Prozess mit
Sorge entgegenzusehen“, so RP-Sprecher
Holm Felber. Ein Verhandlungstermin
steht noch nicht fest.
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